Die Erstellung der neuen Mast-Statik zieht sich noch - aus den 3 Monaten werden wohl 4,5 bis 5 Monate werden. 🙄 Damit der Blog mangels Updates dadurch nicht zu langweilig wird, möchte ich heute was zu neuen Anbietern mit variablen Strompreisen diskutieren.
Variable Strompreise kennt der eine oder andere noch von den Nachtspeicheröfen, da gab es Phasen von Hoch- und Niedertarifen (HT und NT). Heute ist dieses Zweitarif-Verfahren noch bei Wärmepumpen üblich, aber auch in Industriebetrieben. Erkennbar ist eine solcher Doppeltarif an den entsprechenden Zweitarif-Zählern oder Zählerkaskaden.
Auch schon vor der Zeit der regenerativen Energien gab es Differenzen zwischen Strombedarf und -produktion. Gerade die Kernenergie und Kohlekraftwerke können sinnvoll nicht schnell rauf und runter gefahren werden. Wenn dann nachts der Bedarf an Strom für die Industrie runter geht (Schwachlastphase), war auch hier oft zu viel Strom bei geringer Nachfrage da. Per Niedertarif einen Anreiz zu schaffen diesen Strom los zu werden, macht also Sinn. Die Phase des Niedertarifs geht mit der sogenannten Netzdienlichkeit einher: wenn man Lasten zeitlich an das Angebot anpasst, reduziert man Netzlasten und Regelungsbedarfe und damit einhergehende Ineffizienzen.
Mit den nicht steuerbaren regenerative Energien wurde das Problem verschärft. Verfügbarkeit von Strom hängt dabei schlicht von der Wetterlage und Jahreszeit ab. In Konsequenz gibt es im Netz regelmässig ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Konkret führt es dazu, dass bei Überangebot Windkraftanlagen und grosse PV Anlagen runter geregelt werden (müssen). Und bei einem zu geringen Angebot müssen Kraftwerke auf Basis fossiler Träger hochgefahren werden und schaden damit weiterhin dem Klima.
Anders als bei den eingangs beschriebenen Tageszeit-abhängigen Phasen, gibt es also einen viel volatileren Verlauf des Angebots. Ein Blick auf die Strompreis-Börsen zeigt genau diese Volatilität. Zwar ist es auch weiterhin so, dass nachts tendenziell ein Überangebot existiert, die Preise schwanken aber stündlich zum Teil sehr stark. Die Preise sind hierbei u. a. Abbild der Angebots / Nachfragelage - es kommen aber weitere Faktoren hinzu: die Kostenstruktur zur Bereitstellung einer Kilowattstunde unterscheidet sich je nach Energieträger erheblich. Am günstigsten schneiden dabei die regenerativen ab, allen voran die Onshore-Windenergie und PV. Generell gilt an der Börse: wenn zu viel Strom da ist, sind die Preise niedrig.
Jetzt wird das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage von der Fossil-Lobby und "es soll alles so bleiben wie es war"-Fraktion in einer polarisierten Diskussion zu erneuerbaren Energien häufig als k.o. Kriterium zu einer CO2 neutralen Zukunft verwendet. Dabei fallen Begriffe wie fehlende Grundlastfähigkeit oder der Begriff "Dunkelflaute". Es stimmt aber nur, solange man ein naives Bild von "wir ersetzen konventionelle Kraftwerke durch Windräder" projiziert. Dieses Bild ist natürlich falsch. Neben dem Ersatz der fossilen Energieträger benötigt das neue Netz sowohl Speicherkapazität als auch ein intelligentes Lastmanagement. Im Kleinen habe ich beides im Sinne einer dezentralen Energiezelle in voran gegangenen Artikeln bereits diskutiert.
Kommen wir also zum grossen Bild und den modernen Strompreis-Strukturen zurück. Oder konkreter: wie kann man die heute eher noch tageszeitlich geprägte Verbrauchsstruktur an die viel volatilere Energie-Angebotsstruktur anpassen? Die Antwort ist natürlich klar- durch die Schaffung von Anreizen dann Strom zu verbrauchen wenn er da ist. Schafft man das, vergünstigt das nicht nur den durchschnittlichen Strompreis individuell bis auf Ebene Volkswirtschaft, sondern es ermöglicht auch einen deutlich grüneren Strommix und eine Verschlankung des Energienetzes. Macht man sich das klar, fällt es viel leichter die Veränderung positiv zu sehen!
Für Endverbraucher gibt es seit ein paar Jahren Anbieter, die ein geeignetes Anreizmodell umgesetzt haben. Zu nennen sind hier Tibber und aWATTar. Beide sind so etwas wie "Early Adopter" und Vorreiter zu den von der Bundesregierung angekündigten Pflicht zu "dynamischen Tarifen" ab 2025. Die Idee ist einfach: anstatt langfristig (meistens ein Jahr) einen bestimmten starren Preis pro Kilowattstunde anzubieten, liefern Tibber und aWATTar den Strom zum jeweils gültigen Preis an der Strombörse. Zu diesem Einkaufspreis kommen Steuern, Netzentgelte und eine Grundgebühr. Tibber bietet dieses Modell in Reinform an, bei aWATTar gibt es zusätzlich Tarife, die den Verbraucher vor zu starken Schwankungen schützen.
Hat man bislang den Zählerstand einmal im Jahr abgelesen, reicht das bei einem solchen Tarif natürlich nicht. Stattdessen werden intelligente Messsystem / Zähler eingesetzt. Sie übermitteln die Verbrauchsdaten z. B. pro Stunde automatisch an den Versorger, der diesen Verbrauch dann mit dem aktuellen Börsenpreis wichtet und auf Monatsebene in Rechnung stellt. Wählt man einen solchen Tarif, erhält man also jeden Monat eine andere Rechnung: sie variiert nach Börsenpreisentwicklung, Verbrauch und Verbrauchszeitpunkt.
Während ich das schreibe, liegt der Preis bei Tibber für eine Kilowattstunde bei 33 Cent brutto. Nachdem gerade Wind aufkommt, geht der Preis den restlichen Tag stetig nach unten. Heute Abend um 23h sind es dann nur noch 24.6 Cent. Es gab heute morgen um 7h aber auch schon mal eine Spitze von 37 Cent. Wir werden also unseren Smart EQ heute Abend voll machen. Wenn es teuer ist und man den Wagen gerade nicht braucht, wartet man damit lieber.
Ich denke, dass sich mit dem (erzwungene) Eintritt klassischer Stromanbieter bis 2025 ein "weicheres" Modell durchsetzt. Also eine weniger direkte Kopplung an den Börsenpreis für den Endverbraucher. Steht man vor der Entscheidung Tibber oder klassischer Tarif, dann gibt es da nämlich schon eine Abwägung die zu machen ist:
Zunächst mal ist es so, dass klassische Stromanbieter die erwarteten Gestehungskosten für das kommende Jahr schätzen, dabei Risiken Einpreisen und Dir dann einen Jahrespreis anbieten. Vorteile: der Preis ist planbar und er kann wie in 2022 zu niedrig angesetzt sein. Der Ukraine Krieg hat nämlich gezeigt wie sich eine solche Krise auf die Strompreise auswirken kann. Mit dem Anstieg der Gaspreise gingen auch die Preise für den Strom durch die Decke. Es gab in 2022 Stunden, in denen man 90 Cent pro kWh bei Tibber gezahlt hat. Beim Grundversorger hat man da immer noch eine Garantie von z. B. 30 Cent/kWh gehabt - der Preis war ja für ein Jahr zugesagt worden. Nachteil: die Stromversorger werden die Preise langfristig so managen, dass sie Sonderbelastungen wie 2022 wieder rein holen und natürlich generell einen ordentlichen Gewinn einfahren. Wenn man das also über mehrere Jahre betrachtet, wird sich ein Tarif der am Börsenpreis hängt auszahlen. Man muss aber die Schwankungen aushalten. Während in 2022 viele Endverbraucher wieder aus Tibber ausgestiegen sind, kann sich Tibber Anfang 2023 gar nicht vor Neukunden retten. Aktuell bekommt man nämlich mit Jahresgarantie Preise jenseits der 50 Cent angeboten...
Nachdem ich da jetzt zwei Jahre selbst eine Lernkurve hinter mich gebracht und gesehen habe wie unterschiedlich Menschen mit der Lage umgehen, würde ich in soweit keine unbedingte Empfehlung für die Extremform des Tibber-Tarifs abgeben. Dieser Tarif ist etwas für Verbraucher die das Modell wirklich verinnerlich haben und deshalb emotional mit den Schwankungen umgehen können. Wer damit Problem hat - sei es gefühlt und/oder wegen der sehr unterschiedlichen monatlichen Belastungen - für den ist ein klassischer Tarif trotz der zu zahlenden "Versicherungsprämie" ggf. besser. Generell würde ich auch niemandem empfehlen auf einen dynamischen Tarif zu wechseln um bei unverändertem Verbrauchsverhalten ein Schnäppchen zu machen. Wie bereits ein paar mal geschrieben wird das langfristig günstiger sein, aber mit dem ggf. kleinen Gewinn sind halt auch Risiken verbunden.
Nachdem es aber die "weichen / gemässigt dynamischen Tarife" aktuell noch kaum gibt, ist Tibber die empfehlenswerte Wahl wenn man sein Verbrauchsverhalten aktiv an die Angebotssituation / den Börsenpreis anpassen will und kann. Gerade an preislich volatilen Tagen ist es damit durchaus möglich 50% der Stromkosten einzusparen. Das gilt vor allem wenn man Grossverbraucher wie e-Auto oder Wärmepumpe entsprechend steuern kann. Das macht dann schon erhebliche Einsparungen aus. Hilfreich ist für die Optimierung wieder unser automatisiertes Energiemanagement. Die Einsparungen durch Lastverschiebungen korrelieren dabei direkt mit der Netzdienlichkeit und einer Verbesserung der persönlichen Energiebilanz. Schliesslich bekommt man die kWh für 15 Cent bei Tibber genau dann, wenn der Strom komplett oder zum allergrößten Teil per regenerativen Energien produziert wird.
Für mich persönlich überwiegen die Vorteile dynamischer Tarife klar. Neben dem aktiven Betreiben der Energiewende weiß man halt auch immer, dass der aktuelle Preis fair durchgereicht wird. Aber wie oben geschrieben - es ist auch nicht für jeden.
Wer Interesse an einem Wechsel zu Tibber hat, der kann übrigens meinen Tibber-Einladung-Link nutzen. Das gibt für beide auch einen 50 EUR Gutschein.
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