Im September war nach mittlerweile zwei Jahren Betriebszeit eine Wartung der Anlage fällig. Nachdem durch Verdrillen des Generatorkabels mit den Windsensor-Kabeln (siehe Artikel zum Schleifring) diese gerissen waren, war neben der Wartung auch noch das Einziehen neuer Kabel in den Mast angesagt - also eine Extraaktion.
Für die jährliche Wartung gibt es von Braun ja eine Checkliste - da will ich mich an dieser Stelle nicht vollständig durcharbeiten. Stattdessen gibt es im Folgenden einen Schwerpunkt auf Themen, die mir aufgefallen bzw. unerwartet verlaufen sind.
Beim Kippmast ist der erste Schritt ja das Legen des Mastes - recht analog zum Aufstellen. Nachdem beim Legen mehr Reserven beim Zugfahrzeug / Winde notwendig sind (mehr dazu weiter unten), habe ich meinen freundlichen Nachbarn mit dem großen Schlepper gebeten mir zu helfen.
Erst mal Windstille / Schwachwind abwarten und Anlage stilllegen. Nach Anbringen von Jütbaum und Zugseil sowie Sicherung desselben, lockert man dann die Schrauben am Mastfuß. Die waren alle noch recht fest, die Muttern hatten sich durch die Vibrationen im Betrieb also nicht / nur geringfügig gelockert. Nachdem der dicke Schlepper (6 Tonne, 110 PS) dran und das Seil halbwegs gestrafft war, nimmt man die Muttern ganz ab. Ich habe dann mit dem Frontlader meines kleinen Schleppers den Jütbaum soweit angehoben, dass der Schwerpunkt der Anlage über das Gelenk auswandert und Mast mit Gondel "nach unten wollen". Mein Nachbar hat jetzt den Mast mühelos und kontrolliert in Zeitlupe auf den vorbereiteten Bock abgelegt.
Ich habe mir zum Spass mal die Kräfte auf dem Zugseil durchgerechnet. Mit genug Sachverstand kann man das sicher der Statik entnehmen, dazu reicht es bei mir aber nicht. :-) Bei meinem 12m Kippmast mit dem 7.5kW Generator und Gondel ohne Schleifring stellt sich das in etwas so dar: solange der Mast senkrecht steht (Winkel Zugfahrzeug / Mast = 90 Grad), ist er in einem (fast) labilen Gleichgewicht und die Kraft ist 0 kN. Ist der Schwerpunkt über das Gelenk hinaus, steigt die Kraft relativ schnell an und beträgt dann bei einem Winkel von 120 Grad und über den Jütbaum hinweg ca. 10 kN. Bei 180 Grad, also wenn der Mast in der Waagerechten ist, sind wir bei dieser Konfiguration bei 20 kN. Kritisch sind also die Winkel mit flach liegendem / fast flach liegenden Mast. Beim Legen ist also das Ende relevant, beim Stellen der Anfang.
Neben Überlegungen zur Bruchlast ist jetzt natürlich interessant wo beim Zugfahrzeug eigentlich die kritischen Grenzen liegen. Anders als man denken könnte ist es nicht die Motorleistung die zu beachten ist, der kritische Punkt ist i. W. die Haftung des Zugfahrzeugs - also ab welcher Kraft der Schlepper anfängt zu rutschen. Die Motorleistung ist deshalb nicht der kritische Punkt, weil sie nur für die Bewegung nach oben bzw. unten eine Rolle spielt und sich durch entsprechende Untersetzung praktisch beliebig anpassen lässt. Die rein statische Betrachtung reicht also um zu ermitteln, ob ein Zugfahrzeug den Mast bewältigen kann.
Ich greife hier einmal vor und beschreibe was beim (die Wartung abschließenden) Stellen des Mastes mit meinem (kleinen) Schlepper passiert ist: dessen Reifen drehten für mich unerwartet nach Anheben der Gondel um ca. 1-2 Meter plötzlich durch. Mit Allradantrieb. Natürlich im kleinsten Gang und mit Untersetzungsgetriebe. Es stellt sich die Frage nach dem Warum - schliesslich hat es beim Richtfest problemlos funktioniert. Die Antwort ist: der Zustand des Bodens spielt eine Rolle, vor allem wenn die Gesamtkonstruktion geringe Reserven hat. Der Boden war diesmal einfach etwas feuchter als beim Richtfest und der Reibungskoeffizient damit geringer. Mein Schlepper kommt mit angehängtem Mulcher auf ca. 2.5 Tonnen. Auf trockener Wiese kann man damit ca. 22 kN übertragen bevor es rutscht. Ist die Wiese feucht, ist man sehr schnell unter den benötigten 20 kN. Das ist jetzt allerdings die statische Betrachtung. Will man die Bewegung beschleunigen oder verzögern, treten nochmals höhere Kräfte auf. Bei Stellen des Mastes ist man eigentlich auf der sichern Seite: kommt man los, kommt man auch oben an. Kommt man knapp los, kommt man auch oben an wenn man nicht aufgibt. In meinem Fall bin ich einfach auf dem Gas geblieben bis die Reifen auf den tieferen Lehmschichten wieder mehr Reibung bekamen - der Mast stand also am Ende. Das Ablegen des Mastes ist deutlich kritischer: hier senkt man bei noch moderaten Zugkräften ab, der Zug wird aber immer höher. Gerade am Ende muss man dann zusätzlich nochmal abbremsen. Hat man dann keine Reserven mehr, nützt alles Bremsen nichts...
Noch ein Hinweis: ein zu kurzes Seil zwischen Jütbaum und Schlepper verschlimmert die Situation. In diesem Fall ist die Kraftkomponente "nach oben" größer und reduziert die Haftung weiter.
Als Resümee gilt für mich mit der aktuellen Ausstattung also: Stellen des Masten bei knochentrockenem Boden ist o.k. Ablegen muss der Nachbar. :-)
Aber kommen wir zur Wartung - darum sollte es ja eigentlich gehen... Gondel mit Turbine und Rotor sehen bei Sichtprüfung ganz gut aus. Ein wenig Flugrost gibt es an Verschraubungen, aber nichts kritisches. Die Schrauben am oberen Flansch sind auch noch fest, das ist wichtig. Ich habe in diesem Fall außerplanmässig Rotor und Generator-Gehäuse demontiert um den Kabelaustausch einfacher vornehmen zu können. Negativ aufgefallen sind mir hier die 6 Schräubchen die die Verkleidung der Nabe halten. Die waren nur mit Gewalt zu lösen und waren sicher knapp vor Bruch. Hier scheinen die unterschiedlichen Metalle zu reagieren. In jeden Fall sollte man sie also vor dem Festziehen mit einem Trennmittel wie Graphit behandeln damit es nicht doch mal zu Problemen kommt.
Alles in allem ist die eigentliche Wartung also sehr unspektakulär. Aufwändig ist lediglich Legen / Stellen bzw. das Bestellen eines Kranwagens wenn man keinen Kippmast hat.
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