Die Prognose für ein Gesamtjahr liegt für die Braun 7.5 kW Anlage bei 5-6 Megawattstunden (5000-6000 kWh). Nimmt man den Mittelwert, ergibt das 15 kWh pro Tag, im Herbst / Winter deutlich mehr als im Sommer.
In diesem Artikel soll es um erste Erfahrungswerte und Beobachtungen mit dem erzeugten Strom gehen. Dabei geht es noch nicht um die absolute Energiemenge, sondern mehr um die Art wie die Anlage bei verschiedenen Windstärken arbeitet.
Ohne ins Detail der Aerodynamik zu gehen zunächst ein paar Rahmenbedingungen:
- Der Rotor-Durchmesser beträgt 5,3 Meter. Die überstrichene Fläche / Rotorkreisfläche beträgt damit ca. 22 Quadratmeter. Das ist also die Fläche aus der Windenergie entnommen werden kann. Grundsätzlich ist es so, dass doppelte Fläche doppelte Leistung bedeutet. Die überstrichene Fläche korreliert also linear mit der Leistungsfähigkeit einer Windkraftanlage.
- Die Kleinwindanlagen von Braun arbeiten anders als andere Anlagen mit einem festen Anstellwinkel der Rotorblätter. Sie werden also nicht abhängig von Dreh- und Windgeschwindigkeit angestellt. Grosse Anlagen machen das immer, auch Kleinwindanlagen wie die Easywind tun das.
- Wie alle horizontalen Windanlagen nutzt die Anlage das Prinzip der "Auftriebsläufer". Diese arbeiten nach dem gleichen Prinzip wie Tragflächen beim Flugzeug: der vorbei streichende Wind erzeigt auf einer Seite des Blattes einen Überdruck und auf der anderen einen Unterdruck. Das führt dann zu einer Kraft in Rotationsrichtung. Das Gegenteil sind die Widerstandsläufer - diese drehen einfach mit der Windgeschwindigkeit und leiten den Luftstrom nicht wie die Auftriebsläufer laminar am Blatt entlang. Auftriebsläufer erreichen höhere Geschwindigkeiten als Windgeschwindigkeit, Widerstandläufer maximal die Windgeschwindigkeit.
- Anders als bei der Rotorkreisfläche ist das Verhältnis von Windgeschwindigkeit zu Windenergie nicht linear, sondern wächst mit der Potenz 3: doppelte Windgeschwindigkeit bedeutet 8-fache Windenergie. Das erklärt dann auch, warum die Anlage bei geringen Windstärken nur eine sehr geringe Leistung abgibt, während die Nennleistung nur bei höheren Windstärken erreicht wird.
Dann schauen wir uns mal an was bei stehendem Rotor und langsam ansteigender Windstärke passiert:
Anlaufen: solange der Rotor steht, ist die aus der Windenergie entnehmbare Leistung drastisch niedriger als bei einer Drehzahl von 60 U/min und höher. Bei stehendem oder langsam drehendem Rotor ist die von Wind "getroffene" Fläche lediglich das schlanke Rotorblatt - nicht die Rotorkreisfläche. Der Rotor kann also nur einen geringen Anteil der Windenergie aufnehmen und in Drehung umwandeln. Wegen des auf höhere Geschwindigkeiten optimierten fixen Anstellwinkels ist die Strömung auch nicht laminar - der resultierende Auftrieb in der turbulenten Strömung also gering. Im Resultat benötigt die Anlage also eine Windgeschwindigkeit von 4 oder mehr Metern pro Sekunde für den Zeitraum bis die genannten 60 Umdrehungen pro Minute erreicht sind. Bei aufkommendem Wind läuft der Rotor in Böen also immer wieder mal an, bekommt dann aber nicht lange genug die 4 m/s und bleibt wieder stehen. Ist das Windangebot dann gross genug und der Rotor schnell, läuft der Rotor auch bei Windlücken weiter - schliesslich kann er jetzt die Energie der gesamten Rotorkreisfläche entnehmen.
Arbeitsbereich: der Rotor läuft nun also mit 60 und mehr Umdrehungen. Die Anlagensteuerung regelt den Wechselrichter so, dass eine zur Drehzahl passende Menge an Strom entnommen wird. Durch die Entnahme von Energie entwickelt der Generator einen Widerstand - der Rotor wird mehr oder weniger abgebremst. Wird zu viel entnommen, bleibt der Rotor stehen. Wird zu wenig entnommen dreht der Rotor zu weit hoch und entnehmbare Leistung wird verschenkt. Das Ganze entspricht ein wenig dem Regelkreis bei der Photovoltaik, nur wird hier der MPP (max. power point) nicht durch "probieren" und "ausreizen" ermittelt, sondern anhand einer programmierten Kennlinie geführt. Um ein Gefühl für den validen Bereich zu bekommen: die Untergrenze der Produktion liegt knapp unter 100 U/min und irgendwo zwischen 1 und 2 m/s, da bekommt man aber nur eine zweistellige Wattzahl. Bei 5 m/s kommt man auf ca. 1000 Watt, die 7500 Watt erreicht man bei ca. 12 m/s und 330 U/min. Sinkt die Rotorgeschwindkeit unter ca. 90 U/min oder übersteigt 330 U/min verlässt das System den Arbeitsbereich temporär in den Leerlauf oder die Anlagensicherung.
Leerlauf: der Wind hat abgenommen und die Rotordrehzahl geht unter 75 - 90 U/min. In dieser Situation wird die Leistungsentnahme durch den Wechselrichter komplett unterbunden - der Rotor dreht damit frei. Die Zielsetzung ist jetzt die Rotordrehung zu erhalten um bei Anwachsen der Windstärke direkt wieder in die Produktion gehen zu können. Meine Beobachtung ist, dass das bis ca. 1 m/s Windgeschwindkeit funktioniert. Fällt die Windgeschwindigkeit weiter und der Rotor unterschreitet die 60 U/min, nimmt die übertragene Kraft deutlich ab und der Rotor kommt zum stehen. Wir sind also zurück in der Phase Anlaufen. Wie oben diskutiert, wird dann eine Windgeschwindigkeit von 4 m/s benötigt um wieder in den Arbeitsbereich zu kommen. Die Abbildung zu diesem Artikel zeigt zwischen 10 und 13h eine Phase in der der Leerlauf wegen zu geringer Windgeschwindigkeit nicht zu halten war und der Rotor zum Stillstand gekommen ist. Ab 10h stieg die Windgeschwindigkeit wieder an, die 4 m/s wurden aber erst um 13h wieder überschritten.
Anlagensicherung: die Windstärke steigt nach den 12 m/s weiter an. Hier greifen bei der Anlage von Braun nun zwei Sicherungsmechanismen. Zum einen gibt es da die elektrische Bremse. Wird sie zugeschaltet, werden nicht nur 7500 W vom Wechselrichter entnommen, sondern zusätzlich eine durch einen Bremswiderstand definierte Leistung. Der Generator wird hierdurch stark abgebremst. Der Bremswiderstand wandelt die Leistung in Wärme um. Wird die Bremse dauerhaft zugeschaltet, bleibt der Rotor stehen, wird sie kurz zugeschaltet, wird die Drehzahl ggf. im Arbeitsbereich gehalten. Erkennt die Anlage, dass dauerhaft zu viel Wind ist, erfolgt die Vollbremsung, geht es um die Begrenzung der Drehzahl in einer Böe, erfolgt die kurze Bremsung. An dieser Stelle die Frage wovor die Anlage eigentlich geschützt wird? Einerseits geht es um Überspannungen (die Drehzahl korreliert mit der Spannung) für die das System nicht ausgelegt ist. Die Grenze liegt hier bei 590 Volt. Der andere Aspekt ist die statische Belastung von Rotoren und Mast. Ist die übertragene Windenergie zu hoch, kann es zu Bruch kommen. Womit wir zum zweiten - mechanischen - Sicherungsmechanimus kommen: der Rotor kippt bei zu hohem Winddruck in die Helikopterstellung. Klappt der Rotor nach oben wird die in Windrichtung exponierte Rotorkreisfläche verkleinert. Die Fläche wird zu einer "Rotorelipsenfläche". Entsprechend reduziert sich auch die übertragene Windenergie. Je nach Charakteristik des Windes passiert mal das Abbremsen und mal das Kippen in die Helikopterstellung zuerst: bei kurzen starken Böen ist die Bremse schneller, bei kontinuierlichem Anstieg der Windstärke beginnt das Kippen zuerst. Nimmt der Winddruck wieder ab, klappt der Rotor wieder in die vertikale Position.
In Summe ergibt sich also ein Fenster zwischen ca. 2 m/s und 12 m/s oder 80% des Gesamtjahres in dem zwischen 0 und 7500 Watt Strom produziert werden kann. Nimmt man das Anlaufverhalten dazu, sind es 4 bis 12 m/s. Das sind 70% des Gesamtjahres. Diese beiden Enden liessen sich nach meinem Verständnis durch einen variablen Anstellwinkel des Rotors erweitern. Würde man den Anstellwinkel in der Phase Anlaufen erhöhen, käme es früher zu einer laminieren Strömung um die Rotorblätter und damit zu mehr übertragender Kraft und mehr Drehzahl. Ggf. könnte man hier also die Anlaufphasen verkürzen. Viel bringen würde das aber vermutlich nicht. Schliesslich ist die Leistung im Bereich 2 - 4 m/s ohnehin minimal. Beispiel: zwei Stunde Standzeit statt unterer Arbeitsbereich sind ein Verlust von vielleicht 0,1 kWh... Interessanter ist der Bereich oberhalb der 12 m/s. Schliesslich ist hier besonders viel Windenergie vorhanden. Generator und Anlage sind zwar auf 7500 Watt begrenzt und könnten auch bei mehr verfügbarer Energie nicht mehr liefern, es wäre aber natürlich schön wenn oberhalb von 12 m/s zumindest diese Leistung realisiert werden könnte. Sowohl beim Herunterfahren wegen Starkwind wie auch in der Helikopterstellung geht die Leistung aber gegen Null. Grossanlagen sind dank des einstellbaren Anstellwinkels in der Lage bei bis zu 24 m/s ihre Nennleistung zu liefern: wie beim Segeln werden Segel / Rotor "aufgemacht" und ein Teil des Winddrucks wird damit weg genommen. Wieviel Verlust das effektiv bedeutet kann ich nicht einschätzen, scheint mir aber signifikant.
Ein verstellbarer Anstellwinkel - aktiv wie passiv - würde mit Sicherheit einen erheblichen zusätzlichen konstruktiven Aufwand erfordern und damit auch zusätzliche Fehlerquellen produzieren. Und wer sich bei 12 m/s und 7500 Watt Leistung mal unter dem Mast begeben hat, kann sich eine Vorstellung davon machen welche Kräfte hier am Werk sind. ;-)
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