Eigentlich wollte ich diesen Artikel nach einem Jahr Betriebszeit und nach Ablesen des Jahresertrag schreiben. Wegen der Entwicklung des WindMonitor habe ich mich jetzt allerdings so intensiv mit der Systematik der Stromerträge beschäftigt und so viele Daten gesammelt, dass es bereits nach knapp einem halben Jahr Klarheit gibt. ;-) Eine wesentliche Einsicht ist, dass ein Jahresertrag - wenn auch immer gerne genannt - ohnehin eher anekdotischen Charakter hat.

Ich möchte das Thema recht systematisch aufbauen und mit den Einflussfaktoren beginnen. Diese sind im Groben

  • Charakteristik / Leistungsfähigkeit der Anlage
  • Windverhältnisse auf Nabenhöhe
  • technische Betriebszeiten

Die Daten zur Leistungsfähigkeit der Anlage kann man nach relativ kurzer Zeit und durch detailliertes Monitoring erfassen. Der Fokus liegt hierbei auf dem "was hinten raus kommt" und nicht irgendwelchen theoretischen Größen. Wie bereits in früheren Beiträgen in diesem Blog thematisiert, ist z. B. die Nenn- oder Peakleistung der Anlage bei weitem weniger signifikant als z. B. bei der Photovoltaik. Während man bei der PV die Peakwerte oft mehrere Stunden am Tag erreicht, stellt sie bei einer Kleinwindanlage eine Obergrenze dar unterhalb derer die Leistung stetig auf und ab pendelt.

Bei den Windverhältnissen auf Nabenhöhe geht es um die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Windstärken im Jahresverlauf sowie die Volatilität der Windstärken. Beides hängt weitestgehend von der Lage und den Hindernissen in der Umgebung der Anlage ab. Der Einfluss dieses Faktors ist extrem gross und auch der Grund warum es schwer ist, für eine bestimmte Anlage den Ertrag einzugrenzen. In diesem Artikel wird es hauptsächlich um dieses Thema gehen.

Mehr der Vollständigkeit halber noch das Thema Betriebszeiten: steht die Anlage wegen technischer Defekte oder geplanter Abschaltzeiten, hat das natürlich auch einen Einfluss. In den ersten Wochen des Betriebs gab es bei unserer Anlage eine Reihe von ungeplanten Standzeiten - das ist mittlerweile kein Thema mehr. Dazu wird im Sommer die Abschaltung wegen Fledermausflugwetter kommen, womit wir aber noch keine Erfahrung haben.

Oben bereits erwähnt, schauen wir "auf das was rauskommt" in Form einer "typischen stündlichen Systemleistung". 

Das Diagramm ist wie folgt zu lesen: bei Vorliegen einer bestimmten durchschnittlichen Windgeschwindigkeit, liefert die Anlage durchschnittlich eine bestimmte Leistung. Beispiel: bei 8 m/s Durchschnittsgeschwindigkeit entwickelt die Anlage eine durchschnittliche Leistung von 1,4 kW, in einer Stunde also 1,4 kWh. Die Auswertung basiert auf stündlichen Durchschnittswerten. Die Betrachtung stündlicher Durchschnitte ist dabei wichtig um sich der Realität anzunähern. Hat man nämlich in einer Stunde 8 m/s im Schnitt ist das was ganz anderes als eine Zeitpunktbetrachtung.

Bei einer Zeitpunktbetrachtung würde man sehen, dass die Braun Anlage bei 8 m/s 3,5 kW liefert. Real liefert sie sogar stets etwas mehr, das ist aber eben nur die Leistung "unter Laborbedingungen" die man real immer nur ein paar Sekunden vorfindet. In einer Stunde mit 8 m/s im Schnitt wird man aber etwas ganz anderes sehen: die Anlage bekommt z. B. einmal nur 3 m/s, dann aber wieder eine Böe mit 13 m/s die zu einer Abbremsung führt. Wie wir gelernt haben, ist die Leistungsentwicklung auch nicht linear mit der Windgeschwindigkeit, es besteht also ein Unterschied zwischen einer halben Stunde 3 m/s sowie einer halben Stunde 7 m/s und einer ganzen Stunde 5 m/s.

Zurück also zur Diskussion der 1,4 kWh die bei 8 m/s raus kommen: das ist der Wert, der bei einer Langzeitbetrachtung über hunderte Stunden im Mittel bei der betrachteten Anlage zu erwarten ist. Im konkreten Fall, basiert die Mittelwertbildung auf mehr als 2000 stündlichen Messungen. Dabei wurde unter Annahme einer Normalverteilung auch nur ein schmales "Konfidenzinterval" verwertet, Ausreisser nach oben und unten wurden also nicht berücksichtigt. Das spannende an der Gesamtkurve ist, dass abgesehen von der Volatilität des Windes (also konstant bis böig), dieser Werte standortunabhängig ist. D. h., dass man die gezeigten Werten nutzen kann um den Ertrag der Anlage mit jeder beliebigen anderen Windlage zu ermitteln. Sie stellen also die "typische stündliche Systemleistung" dar.

Vielleicht ist jetzt der eine oder andere erschrocken, dass die Leistung bereits bei 8 m/s im Schnitt wieder abfällt. Schliesslich steigt die Kennlinie der Turbine bis 11 m/s weiter bis auf die 7,5 kW Nennleistung an. Wir sehen hier schlicht wieder die Auswirkung eines beschränkten Arbeitsbereiches bei volatilem Wind. Übrigens: bei dem Durchschnittswert für 7 m/s bekommen wir im Schnitt 2.5 kW. Das ist noch fast exakt der Werte der Generator-Kennlinie. Bei einem Durchschnittswert von 7 m/s sind einfach Böen ausserhalb des Arbeitsbereiches sehr selten.

Nachdem wir jetzt wissen, was wir bei bestimmten durchschnittlichen Windgeschwindigkeit zu erwarten haben, benötigen wir für die Ermittlung des Jahresertrag noch die Häufigkeit des Auftretens der genannten Windgeschwindigkeiten. Die sehen wir im folgenden Diagramm. Anders als die letzte Kurve, ist dieses Diagramm sehr standortspezifisch und unterscheidet sich massgeblich an jeder anderen Stelle des Landes. Typisch ist der generelle Trend mit hoher Häufigkeit im unteren Bereich und die zunehmend geringere Häufigkeit für hohen Windstärken.

Unerfreulich ist hier die geringe durchschnittliche Windstärke im Winter 2023 / 2024 von nur 3,7 m/s. Der Windatlas sagt für den Standort 5,5 m/s, meine Vorjahresmessung kam auf 4,5 m/s (alles auf 10 m Höhe). Womit wir aber beim Thema "anekdotisch" sind, mehrjährig wird das vermutlich wieder ganz anders aussehen. Die gute Nachricht für diesen Beitrag ist allerdings, dass wir gleich erfahren werden, was die Anlage bei 3,7, 5,0, 5,8 und 6.0 m/s liefern wird!

Mit der typischen stündlichen Systemleistung und einer gegebenen Windlage kann man nun nämlich die Jahresleistung ausrechnen. Im folgenden Diagramm sieht man nun den Jahresertrag mit der BRAUN ANTARIS 7.5 und der diskutierten Windlage mit einem Jahresmittel von 3,7 m/s:

Bläst der Wind also das ganze Jahr mit 3,7 m/s im Schnitt, erzeugt die Anlage 5320 kWh/a. Mit Hilfe der Simulation kann nun die Windgeschwindigkeit angepasst werden. Dabei werden auftretende Windstärken prozentual erhöht / reduziert, also linear angepasst. Schieben wir das Mittel mal auf 5 m/s, so ergeben sich 6125 kWh:

Nehmen wir die durchschnittliche Jahresprognose an der Nordseeküste mit z. B. 6 m/s, so erhalten wir 6345 kWh, also nur noch eine geringe Änderung. Woran liegt das? Die Anlage ist bei so hohen Windstärken einfach häufiger oberhalb des Arbeitsbereiches, die Mehr-Energie des Windes kann nicht mehr genutzt werden. In der Tat liefert die Anlage bei 5,8 m/s Jahresmittel die besten Erträge, mehr Wind ist schlecht. Hier würde man ggf. einen kleineren Repeller verbauen. 

Bisher haben wir das Thema Volatilität des Windes nur gestreift. Bevor wir zu diesem Thema kommen, findet sich hier der Link um die Simulation mal selbst zu testen: WindMonitor Simulation

Neben der absoluten Windstärke ist deren Änderungshäufigkeit und -stärke die zweite signifikante standortspezifische Eigenschaft. Oben hatten wird das Beispiel eines stündlichen Schnitts von 8 m/s mit Abschwächung bis auf 3 m/s und Böen bis zu 13 m/s. Das ist schon eine hohe Volatilität, bei Stürmen kann es aber noch viel dramatischer aussehen. Ein starker Wechsel führt nicht nur zu zeitweisem Verlassen des Arbeitsbereichs der Turbine, sondern stellt wegen der Be- und Endschleunigungen auch eine hohen Materialbelastung dar. Ein möglichst konstanter Wind ist deshalb positiv und ertragssteigernd.

Schaut man in die Literatur, so werden drei Ursachen für Böen genannte: chaotischen Windbewegungen um Hindernisse, Austausch unterschiedlich warmer Luftschichten (thermische Böen) sowie Effekte in der freien Atmosphäre (Abriss laminarer Strömungen). Auf die erste Ursache hat man bei der Standortwahl Einfluss. Stehen vor oder hinter der Kleinwindanlage hohe Bäume / Häuser, reduziert das nicht nur die Windgeschwindigkeit, sondern erzeugt auch Verwirbelungen und Böen. Ein wichtiges Augenmerk gilt hier der Hauptwindrichtung, aber eben nicht nur.

Die Hauptwindrichtung ist in Deutschland um West, die Windrose im Artikelbild zeigt die starke Dominanz westlicher Winde auch bei unserer Anlage. Die Windlage auf unserer Koppel ist relativ gut, aber nicht perfekt. Relevanter Baumbestand ist in allen Richtungen 100 Meter und mehr entfernt. Bei südlichen Winden stehen die Bäume am nächsten, Winde aus der Richtung sind aber meistens schwach und deshalb für den Ertrag nicht ausschlaggebend. Die Landschaft rund um die Koppel ist allerdings hügelig, das führt zu Böen.

Die Auswirkung der Volatilität auf den Ertrag ist sehr gross. Mit Blick auf das erste Diagramm mit der typischen stündlichen Systemleistung sieht man neben der durchschnittlichen Leistung je Windstärke den von-bis Bereich in weiß. Bei 8 m/s treten je nach Volatität Erträge zwischen fast 0(!) und 3,5 kWh auf. Gerade bei höheren Windgeschwindigkeiten spreizt sich das Ertragsspektrum stark. Die Auswirkungen unterschiedlicher Volatilität lässt sich mit der WindMonitor Simulation ebenfalls, zumindest qualitativ, erforschen.